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Deutschlandstipendium: Aus dem Kriegsgebiet nach München an die LMU

09.02.2021

Das Deutschlandstipendium fördert Studierende mit hervorragenden Leistungen, aber auch Menschen, die sich sozial engagieren oder Hürden in ihrem Lebenslauf überwinden. Einer von ihnen: Ihssan Louleh.

Aufnahme des Deutschlandstipendiaten Ihssan Louleh

Ihssan Louleh | © LMU / Jan Greune

Wer in Syrien Medizin studieren möchte, braucht einen Abschnitt von mindestens 1,1. Entsprechend angesehen ist der Beruf in diesem Land. Ihssan Louleh hatte seinen Abschluss mit 1,0 bestanden und konnte sich so mit Leichtigkeit für Humanmedizin einschreiben. Das Problem: In dem Land herrscht seit 2011 Bürgerkrieg. „Einmal, als ich in die Uni gehen wollte, schlug 50 Meter neben mir eine Rakete ein“, erzählt Ihssan Louleh. Kurz darauf hätte es ihn zusammen mit einem Kommilitonen beinahe wieder getroffen. „Alles hat orange geleuchtet“, erinnert er sich. Das war der Punkt, wo es Ihssan nicht mehr ausgehalten hat: Er musste seiner Heimat den Rücken kehren.

Drei Monate später hatte Ihssan Louleh ein Visum. „Es war der Moment, der mein Leben für immer verändern sollte“, erzählt der heute 22-Jährige. Er hätte nach Frankreich gehen können: Seine Familie hat französische Wurzeln, weshalb er gut französisch spricht. Aber Ihssan Louleh war dieser Weg zu einfach. „Ich wollte eine neue Kultur und Sprache kennenlernen“, sagt er. Weil ihm der Sprachkurs in München zu langsam war, hat er immer eigenständig weitergelernt und konnte mehrere Level überspringen. So schnell hat laut Direktorin Dr. Melanie Moll vom Verein „Deutschkurse bei der Universität München“ noch keiner Deutsch gelernt: in nur acht Monaten.

Ihssan Loulehs Antrieb war es, schnell studieren zu können. Nach einem Praktikum bei seiner Tante im französischen Nantes und einer Weiterbildung im Bereich Zahnersatzkunde und Zahnfüllungen sollte es die Zahnmedizin sein. Als er sah, dass dies an der LMU möglich ist, musste das ein Zeichen sein, sagt er und lacht. Die Sprachanforderungen waren hoch. „Ich habe aber gedacht: Ihssan Louleh, probier‘s doch einfach.“ Und es hat geklappt. Da viele deutsche Schülerinnen und Schüler Chemie und Physik in der Oberstufe abwählen konnten, half er sogar seinen Kommilitonen im Vorphysikum mit eigenen Zusammenfassungen zu den Grundlagen. Diese kursieren jetzt unter den jüngeren Semestern.

Ihssan Loulehs Noten waren zu Beginn seines Studiums durchaus in Ordnung. Doch ihm waren zu viele Dreier darunter. Das Problem war: Er konnte nicht so viel lernen, wie er es getan hätte, weil er Geld verdienen musste, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ihssan Louleh arbeitet seit kurz nach seiner Ankunft in Deutschland in einem Hostel. Entsprechend begeistert war er, als er bei einer Recherche auf das Deutschlandstipendium stieß. „Viele Programme unterstützen nur Masterstudierende oder Doktoranden“, sagt Ihssan Louleh.

Jetzt arbeitet Ihssan Louleh zwar immer noch im Hostel – soweit es Corona zulässt. Alternativ hat er Anzeigen geschaltet, um Abiturienten Nachhilfe zu geben. Aber durch die finanzielle Unterstützung durch das Deutschlandstipendium viel weniger Stunden als früher. Dadurch haben sich seine Noten deutlich verbessert. Im Vorphysikum stand er sowohl in Biologie als auch in Chemie auf 1,0, in Physik auf 1,7 und in Anatomie auf 1-1-1-2 und in Biochemie auf 1,8. „Ich bin dem Stipendium und den Förderinnen und Förderern so dankbar“, unterstreicht Ihssan Louleh. „Ich habe die Zeit genutzt, um zu lernen und der Gesellschaft etwas zurückzugeben.“

Denn in Zusammenarbeit mit den Medizin- und Zahnmedizinstudierenden seiner früheren Universität in Aleppo hilft der 22-Jährige, Lehrvideos zu erstellen. „In Syrien gibt es keine offiziellen Lehrbücher und viele sind veraltet“, erklärt er. Daher unterstützt Ihssan Louleh Professoren, ehemalige Kommilitonen und Freunden, in dem er aktuelle Forschungserkenntnisse ins Arabische übersetzt.

Nach dem Studium möchte Ihssan Louleheine Zahnarztpraxis in München aufmachen. Er liebe diese Stadt und die Menschen , denen er so viel zu verdanken habe. „In München habe ich meine zweite Familie gefunden!“ Nur Bairisch werde er wohl nie lernen, sagt er und lacht. Bei einem Syrier, der in acht Monaten Deutsch lernt, ist aber wohl auch das alles andere als ausgeschlossen. Warum es ihn eigentlich innerhalb Deutschlands nach München verschlagen hat? Die Antwort ist so simpel wie überraschend: „Ich bin seit meiner Kindheit FC-Bayern-München-Fan.“

Jetzt Förderer werden! Das Deutschlandstipendium an der LMU lebt von der Unterstützung von Unternehmen, Stiftungen oder Privatpersonen. Ihre steuerlich absetzbare Spende in Höhe von 150 Euro pro Monat wird von der Bundesregierung verdoppelt und kommt ohne Abzüge bei den Stipendiatinnen und Stipendiaten an. So können sich junge Menschen auch in Krisenzeiten wie diese ohne Geldsorgen um die Zukunftsfragen unserer Gesellschaft kümmern.

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